Max Ruebensal - Das Verlangen nach intellektuellen Sensationen
Max Ruebensal ist ein aufstrebender Vollzeit-Künstler, dessen farbenfrohe Werke häufig mit verschiedenen Fließtechniken “Pouring” entstehen. Oft stellen diese aber nur die Basis und werden zu herausragenden Werken weiterverarbeitet, die den Betrachter erstaunen und herausfordern.
In Ihren kontrastreichen, farbenfrohen Werken bedienen Sie sich häufig der Fließtechnik “Pouring”, bei der die Farben nicht mit Pinsel oder Spachtel aufgetragen, sondern auf die Leinwand geschüttet werden. Was fasziniert Sie an dieser Art Bilder zu erschaffen?
Das ist tatsächlich eine der häufigsten Fragen, die ich bekomme, und doch überrascht die Antwort die Meisten. Denn was viele nicht wissen: Ich komme ursprünglich aus der kontemporären Skulpturen- und Installationskunst. Konkret hat das für mich als Künstler bedeutet, dass ich im Schaffensprozess die Kontrolle über alles hatte, und das Kunstwerk eigentlich im Kopf bereits fertig war, bevor ich mit den Händen überhaupt an die Arbeit ging. Irgendwann bin ich jedoch an einem Punkt angelangt, an dem ich das Gefühl hatte, in dieser künstlerischen Disziplin nicht mehr ‚weiter zu kommen‘. Etwas Neues musste her, und ich wollte auch meine Komfortzone verlassen. Bei der Fließtechnik muss man viel Kontrolle aufgeben, und aus dem Zufall entstehen viele neue, ebenfalls faszinierende Dinge. Natürlich war das am Anfang ein Gewöhnungsprozess, der etwas gedauert hat. Über die Zeit fanden aber auch einige konzeptuelle Aspekte wieder in meine Kunst zurück, und heute kombiniere ich oft das Beste aus beiden Welten. So habe ich z.B. für meine ‚Rate Of Loss‘-Serie Effekte entwickelt, die aus einer Reaktion von wasserbasierten Acrylfarben mit ölbasierten Sprühfarben entsteht. Die Technik & Materialien unterstützen dabei als ‚Bild-im-Bild‘ den thematischen Grundkern der Serie, die sich mit verschiedensten, vom Mensch herbeigeführten Naturkatastrophen, wie z.B. Ölkrisen beschäftigt.
Die Fließtechniken dienen Ihnen oft nur als Basis und die so entstandenen Bilder verarbeiten Sie im Anschluss weiter. Zum Beispiel in Ihrem großartigen Werk “My Shore” aus dem Jahr 2018, dass das Profil einer Frau zeigt, deren Haut aus ineinander fließenden Farben besteht. Wie wichtig sind solche neue Ideen, um in der Kunstszene wahrgenommen zu werden?
Ich denke der Fokus liegt bei vielen bekannten Kunstwerken (vermutlich zu Recht) teilweise auch auf der ‚Innovation‘. Oft sind Künstler & Künstlerinnen deshalb bekannt, weil sie als Erstes Dinge anders gemacht haben, mit Konventionen gebrochen haben und versucht haben, mehr aus den gegebenen Techniken und Materialien zu machen. Und zu einem gewissen Teil ist mir das natürlich auch wichtig. Es ist nichts falsch daran eine Technik zu nutzen, die seit den 70ern bekannt und vor allem in den letzten Jahren einen regelrechten ‚Hype‘ erfahren hat. Wichtig für mich als Künstler ist es jedoch, in dieser Sphäre mein ‚eigenes Ding‘ zu finden und so etwas zur Weiterentwicklung beizutragen. Immerhin geht es ja schließlich darum, was ich individuell mit meiner Kunst zu sagen habe und wie ich diese Materialien dazu einsetze, um meine persönlichen Gedanken, Ideen und Empfindungen auszudrücken.
Auf Ihrer Website werden Sie als “kreativer Rebell” und “Andersdenker” beschrieben. Sie leben inzwischen in Berlin, stammen aber aus einem kleinen Dorf in Oberfranken. Wie schwer war es in Ihrer Jugend als jemand, der “anders denkt”?
Klar, eine ‚richtige Kunstszene‘ hat es im Umkreis von hunderten Kilometern nicht gegeben. Das hat mir in meinen Anfangsjahren natürlich Schwierigkeiten bereitet, da ich nirgendwo so richtig „anschließen“ konnte. Das Positive daran ist, dass ich so schon früh das Internet als meinen primären Ort der Vernetzung entdeckt habe – eine Entwicklung, von der ich gerade in Zeiten wie diesen profitiere. Heute ist es viel einfacher, Gleichgesinnte zu finden und die eigenen Ideen einem Publikum zu präsentieren, das dir auch etwas zurück gibt. Über die Jahre hat es mich zunächst nach Passau verschlagen, wo eine kleine aber intensive Kunstszene vorhanden ist. Diese hat mich dann auf den Geschmack gebracht, und irgendwann war es dann Zeit für etwas Größeres, und so kam es zu meinem Umzug nach Berlin.
“Seit meiner Weltreise denke ich größer”
Sie sind nach Ihrem Abitur lange durch die Welt gereist – unter anderem in die USA, nach Neuseeland und Kanada – und haben sogar eine Zeit lang in Shanghai gelebt und mit dem Street-Art Künstler Vhils und der Künstler-Kollaboration FAILE aus New York zusammengearbeitet. Inwiefern haben diese Reisen Sie in Ihrer künstlerischen Entwicklung geprägt?
Rückblickend waren sie definitiv einer der Hauptantriebe für meine persönliche und damit auch künstlerische Entwicklung. Sie standen fast immer am Anfang eines neuen Kapitels, das mich einen Schritt weiter zu meiner jetzigen Situation gebracht hat. Durch meine Kindheit auf dem Dorf stand ich natürlich viel unter dem Einfluss von Menschen, für die Kunst nichts mehr als ein „brotloses Hobby“ war, und je öfter man das hörte, desto mehr hat man das selber geglaubt. Als ich mit der Schule fertig war, war Kunst für mich eigentlich keine Option gewesen. Die Weltreise hat mich die Welt und viele Dinge aus neuen Perspektiven sehen lassen und in mir so langsam den Gedanken bestärkt, dass ich nichts anderes machen KANN und auch nichts anderes machen WILL. Von da an stand mein Traum eigentlich fest und ich arbeite stets auf dieses Ziel hin. Die Zusammenarbeit in der Shanghaier Galerie mit den renommierten Künstler hat dann zusätzlich bewirkt, dass ich einfach „größer“ gedacht habe. Nicht nur in Werken, sondern im „großen Bild“, und was ich auch künstlerisch noch alles erreichen möchte.
Sie sind inzwischen 26 Jahre alt und arbeiten als Vollzeit-Künstler. Hat es lange gedauert, bis Sie diesen Schritt gewagt haben?
Natürlich ist das ein gewagter Schritt, sich den Auswirkungen eines so fragilen Marktes vollends auszusetzen. Ich war immer gut in der Schule und mir standen auch auf dem Weg einer klassischen Karriere viele Wege offen. Vermutlich auch deswegen hat in mir selbst der Gedanke wohl einige Jahre gelebt und es hat etwas gedauert, bis ich mir selber eingestehen musste, dass ich mit meinem Leben schlichtweg nichts anderes machen will. Gemessen daran war das ‚nach außen treten‘ an Familie & Co. vermutlich ein kleinerer Schritt. Natürlich ist auch dann am Anfang nicht alles gut gelaufen. Aber schlussendlich half mir, wie schon gesagt, dass ich begriffen hatte, dass ich „keine andere Wahl hatte“. Heute kann ich rückblickend nur sagen, dass sich der Mut definitiv ausgezahlt hat.
“Was will ich sein, wenn ich alles sein kann?”
Sie beschreiben sich selbst als getrieben vom Verlangen nach intellektuellen Sensationen und neuen Ideen. Haben Sie schon ein neues künstlerisches Projekt, über das Sie berichten können?
Derzeit beschäftige ich mich viel mit dem Thema Identität. In all’ meiner Kunst, ob Skulpturen, Installationen oder Gemälden habe ich immer wieder mit Motiven von starkem Symbolcharakter gearbeitet, wie z.B. Totenköpfen, Schmetterlingen oder Augen. Und irgendwann hatte ich mich dann gefragt, warum das so ist – bis mir irgendwann dämmerte, dass mich diese Symbole so stark anziehen, weil „sie für etwas stehen“. Früher wurden Berufe über Generationen weitergegeben, und die eigene Laufbahn und das individuelle Leben war in vielen Aspekten bereits vorbestimmt. In der heutigen, pluralistischen Gesellschaft kann man (zumindest theoretisch) sein, was immer man will. Das stellt besonders die jungen Generationen vor neue Herausforderungen: Wenn ich alles sein kann, WAS will ich dann sein? Wer bin ich, und was macht mich aus?
Zurzeit haben wegen der anhaltenden Pandemie viele Galerien und Museen geschlossen. Können Sie uns trotzdem schon sagen, wann und wo wir Ihre großartigen Werke wieder live bewundern können?
Derzeit ist eine virtuelle Ausstellung zur oben genannten Thematik in Planung, und einige Werke habe ich auch schon in meinem Newsletter veröffentlicht. Wer mehr dazu wissen will, kann sich gerne unter https://maxruebensal.com/de/newsletter-anmelden/ anmelden um es gleich zu erfahren, wenn es soweit ist!
Max Ruebensal wächst in einem kleinen Dorf in Oberfranken auf. Nach einer Weltreise ist er in Berlin gelandet, wo er aktuell lebt und Vollzeit als Künstler arbeitet.
Web: https://maxruebensal.com/
Instagram: https://www.instagram.com/maxruebensal/
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen
Die Farben sind wunderschön. Könnte ich mir stundenlang anschauen, diese Gemälde. Herzlichen Dank für den Beitrag!