ANTOINETTE - Auf der Suche nach europäischer Identität
Die Identität des europäischen Kontinents ist seit über 30 Jahren ein bestimmendes Thema der Leipziger Malerin ANTOINETTE. Besonders wichtig ist ihr dabei die Schöpferkraft bedeutender Frauen. In hundert lebensgroßen Porträts hat sie große Europäerinnen künstlerisch verewigt.
Sie setzen sich seit über 30 Jahren in Ihren Bildern mit der Identität Europas auseinander. Was fasziniert Sie als Künstlerin an Europa?
Europa ist eine überlebenswichtige Größe, um den Frieden nicht nur in Europa, zwischen den europäischen Nationalstaaten zu erhalten, sondern der Welt ein Beispiel für Entwicklungen ohne kriegerische Auseinandersetzungen zu statuieren. Grenzenloses Miteinander, grenzenloses Denken und grenzenloser Austausch sind Ausdruck einer Kultur des Ausgleiches.
Europa ist der Kontinent der Emanzipation der Frau. Europa steht für Demokratie, auch wenn es noch immer auch hier diktatorische Nationalstaaten gibt. Im Augenblick ist Europa sehr gefährdet. Intoleranz, Fremdenhass, wiederauflebendes faschistisches Gedankengut, Wirtschaftskriege, immer stärker aufklaffende Ungleichheit und Umverteilung durch den starken Neoliberalismus, sind Faktoren, die an den Grundfesten europäischer Vereinbarungen rütteln. Europa muss die Glaubwürdigkeit seiner grundlegenden Werte verteidigen, sonst hat es keine Zukunft.
Kulturell sind wir Europäer seit Jahrhunderten geprägt von einem Formwillen, der der christlichen Ikonografie entsprungen ist. Wir können uns ethische und moralische Vorstellungen nur mit ganz bestimmten Bildern und Figuren erzählen, wir können Visionen nur aus unserer Geschichte heraus entwickeln, unsere Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Kunstbilder und Zukunftsbilder, Dokumentationen über die Gegenwart, drehen sich immer um unsere europäische Sicht auf die Welt. Ich möchte diesem Kontinent, der den Namen einer Frau trägt, mit meiner Arbeit bei der Suche nach Identität unterstützen. Ich berufe mich ganz bewusst auf die Tradition der Malerei und Zeichnung, ich vertraue meinen Händen und auf ganz einfache handwerkliche überlieferte Mittel, Pinsel und Farben, richte mich aus an den großen Meistern Europas (Goya, Cranach, Beckmann, Freud, Kitaj Bacon, usw.) und erfinde das, was die Ur-Fragen aller Europäer/innen waren, für unsere Zeit aus meinem Blickwinkel neu.
“Viele Frauen scheuen es, ihr Tun in die Öffentlichkeit zu bringen”
Anlässlich von 100 Jahren Frauenwahlrecht in Deutschland haben Sie seit 2014 hundert lebensgroße Porträts bedeutender Europäerinnen geschaffen. Wie haben Sie die Frauen ausgewählt und was steckt hinter diesem Projekt?
Um die europäische Identität zu ergründen, war es mir wichtig, ganz genau auf die Schöpferkraft der Frauen zu blicken, die erst seit 100 Jahren wählen, Berufe ausüben und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilnehmen dürfen. Vorher waren sie unmündige Ehefrauen, völlig abhängig von den Entscheidungen der Männer, sie mussten ihre eigenen Talente zurückstellen. Es war ihnen bis dahin verboten, ein eigenes öffentliches Leben zu entfalten. Sie wurden verheiratet und all ihre Kreativität, all ihr Mut, ihre gesamte individuelle Lebenskraft galt von da ab nur noch der Familie. Mehr als ein Jahrtausend des Patriarchats hatte aus Frauen und Kindern zweitrangige Lebewesen gemacht, die man unterdrücken durfte. Um die herausragenden Positionen anschaulich zu machen, die sich Frauen in Europa in dieser kurzen Zeitspanne, der letzten 100 Jahre erobert haben, kam ich auf die Idee, lebensgroße Portraits herausragender Frauen zu malen. Ich habe mir aus verschiedenen Zeitungverlagen Empfehlungen geben lassen. Ich habe in mehreren Ländern Teams von Frauen zur Mitarbeit motiviert, die miteinander beraten haben, welche Frauen einen besonderen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung geleistet haben. Daraus hat sich ein besonderes Netzwerk engagierter Frauen entwickelt.
Welche Frau hat Sie dabei besonders beeindruckt und warum?
Alle Frauen haben mich beeindruckt. Ich bin selber stetig mit neuen Blickwinkeln konfrontiert worden und habe immer wieder die weibliche Existenz aus ganz neuer Sicht anschauen können. Es war eine unglaublich intensive Reise durch das Frau-Sein. Von der Vorständin mit einer Personalverantwortung für mehr als 10.000 Menschen, zu einer katholischen Nonne, die in Afrika junge Frauen und Kinder vor der Prostitution rettet, von einer berühmten österreichischen Schauspielerin zur Wissenschaftlerin, die die größte Geldwäscheexpertin der Welt ist und den Gerichten Handlungsanweisungen geben kann, von der ersten weiblichen Politikerin im italienischen Tirol zu einer in Polen aufgewachsenen Frau, die inzwischen ein amerikanisches Unternehmen führt, von einer Jüdin, die das KZ in Deutschland überlebt hat und jetzt in den USA eine der führenden Psycho-Analytikerinnen ist, zu einer Wissenschaftlerin, die Modelle baut, in denen klar zu sehen ist, wie sich das Klima in den nächsten Jahren verändert, ich bin immer wieder aufs neue völlig beeindruckt aus jeder Begegnung hervorgegangen. Inzwischen habe ich mehr als 60 der lebensgroßen Portraits fertig. Viele Frauen scheuen es, ihr aufregendes Tun selber in die Öffentlichkeit zu bringen. Im Hintergrund große Arbeit zu machen, ist noch immer eine typisch weibliche Haltung. Was sie leisten, ist umwerfend beeindruckend.
Wie ist ihre Wahrnehmung als Künstlerin: Wie steht es um die Gleichberechtigung in der Kunstszene?
Gibt es Gleichberechtigung in der Bildenden Kunst? – ich meine nein. Schon gar nicht in meiner Generation. Punkt.
Sie verstehen sich als Vertreterin der “Leipziger Schule”. Was sind für Sie die wichtigsten Charakteristika dieser Strömung der modernen Malerei?
Ich persönlich bezeichne die Leipziger Schule als eine Phase, in der man das fundamentale Handwerk der Malerei und der Zeichnung ausgiebig studiert hat. Voraussetzung waren hochinteressante Meister, Heisig, Tübke, Mattheuer, die ein enormes Spannungsfeld aufbauen konnten mit unterschiedlichen, aber gut fundamentierten Lehrmeinungen, zwischen denen man sich als Student/In nicht nur orientieren konnte, sondern selbst finden musste. In den 80ger Jahren war das Diktatorische schon etwas verblasst, und diese „Meister“ konnten, zumindest in Leipzig eine Atmosphäre schaffen, die zwar große Herausforderungen an Qualität stellte, aber auch freie und kreative Assoziationen nicht nur zuließ, sondern erwünschte. Es ging nicht um Vermarktung, sondern man hinterfragte immer wieder seine künstlerischen Aufgaben und Positionen und war in engem Austausch mit dem Publikum. Es gab ein regelrechtes Bedürfnis des Publikums nach Kunst, es ging um Identität und Freiheit. Das war eine Hrausforderung.
In dieser Zeit habe ich gelernt und angefangen, mir meine heutigen Kenntnisse und Mittel zu erobern. Die Meisterschülerschaft bekam ich von B. Heisig.
Ab dem 7.2.2020 startet in Leipzig Plagwitz in Ihrem Atelier eine Soirèe für Malerei und Zeichnung, mit einer anschliessende Schule, die man mit einem Zertifikat am Jahresende abschliessen kann. Was wollen Sie aufstrebenden KünstlerInnen lehren – jenseits des Handwerks?
Einander kennenlernen und den Austausch nutzen zur eignen Entwicklung.
Neue Aspekte der Kunstbetrachtung kennen lernen.
In den eigenen Fähigkeiten Unterstützung zu finden.
Talent entwickeln, das Eigene entdecken.
Augen schulen, Sehen trainieren, um bewusster mit Farben umgehen zu können.
Die eigene Wahrnehmung intensivieren.
Empfindung und Farbe ins Verhältnis bringen.
Botschaften der Natur entschlüsseln um sie selber als Botschaft einsetzen zu können.
Gesetze vom Ur-Wissen über Schönheit studieren und in Verbindung bringen zu den kosmischen Gesetzen.
Zusammenhänge verstehen.
Kunst im Allgemeinen besser zu verstehen.
Alltagskonditionierungen, wie „Geschmack“ untersuchen.
Was sind Ihre künstlerischen Pläne für die Zukunft? Werden Europa und die Rolle der Frau weiter wichtige Themen für Ihre Arbeiten sein?
Neben der Schule arbeite ich natürlich an allen Stoffen weiter, ganz wichtig:
Mythos Europa. Über die Identität Europas.
Frauen werden ebenfalls für mich hochinteressant bleiben, schließlich geht es dabei auch um meine eigene Identität. Aus dem Thema Mythos Kontinent Europa hat sich das Gesicht / Portrait der Frau Europa entwickelt. Dann begann die große Arbeit am Altar: riesige Zeichnungen, nur mit Bleistift auf Papier, Madonnen, Wächterinnen der sieben Wochentage, unter denen ein 20 m langes Papierband aus Zeichnungen, ebenfalls nur mit Stiften, die alternativen Wahrheiten beschreibt und über ihnen ein 20 m langes Papierband mit Bleistiftzeichnungen: die Lösung in die Freiheit. 4 weitere Seitentafeln sind nun noch in Arbeit und warten auf meine Einfälle.
Ein riesiges Oeuvre, das mehrere Museen füllen könnte, unter anderem eben der 20 m lange und 6 m hohe Altar aus Bleistiftzeichnungen harren und warten auf Öffentlichkeit. Deshalb wird es wichtig bleiben, auch organisatorisch neue Partner zu finden, mit denen zusammen ich diese Projekte realisieren kann.
ANTOINETTE ist eine Vertreterin der „Leipziger Schule“ und wird zu den erfolgreichsten und bekanntesten Portraitmalerinnen unserer Zeit gezählt. Ihre Bilder und ihre Bildsprache stehen in der Tradition ihrer Lehrer Heisig, Mattheuer und Tübke.
Web: http://www.antoinette-kunst.de/
Facebook: https://www.facebook.com/ANTOINETTE-Kunst-1038870822790105/
Eure Seite ist wichtig und informativ. Das ich dabei bin, freut mich!
Habt Ihr sehr schön gemacht.
ANTOINETTE
Toller Blog. Schöne Bilder. Erinnert mich ein wenig an Kunst von Cuno Amiet.