Foto: Linda Nau
Margit Hartnagel - Am Anfang ist das Bild leer, leer ist es am Ende
Für Margit Hartnagel befindet sich in der Leere das Potential, aus dem Alles möglich wird. Wie sie damit begann “leere Bilder” zu schaffen und welche Entwicklung sie dabei durchlaufen ist, verrät sie im Interview.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie: “Am Anfang ist das Bild leer, leer ist es am Ende. Dazwischen habe ich gemalt.” Woher kommt Ihre Faszination für “die Leere”?
Das war mitunter eine bewusste Entscheidung während meines Malerei-Studiums. Ich bin auf dem Land groß geworden und war sehr mit der Natur verbunden. Als ich dann in Wien studierte, war es mir ein Bedürfnis, der allgemeinen Informations- und Bilderflut nicht noch zusätzliches in Form von Malerei dazu zu setzen. Somit ging ich den Weg nach innen, der Kontemplation und der Stille. Es war eine stetige Suche nach dem, was übrig bleibt, wenn keine Gedanken, Konzepte, Ideen, Vorstellungen…usw. mehr da sind. Es gibt folgende Formulierung von mir hierzu: “Das, was ich mir erlaube, um mit der Macht eines Gemäldes einem Betrachter zu begegnen, ist das Wenige, das übrig bleibt, wenn alles weggelassen wird, was irgendwohin führt.”Ähnlich wie in einer Meditation saß ich so lange vor der leeren Leinwand, bis ich die Leere der Leinwand sah. Dann folgte ich dem ersten klaren Impuls einer gesehenen Farbe, Fläche….
Was bedeutet Leere für Sie? Ist sie der Tod, oder Aufbruch und Anfang des Lebens?
Nur wenn etwas leer ist, kann es sich neu füllen. In der Leere befindet sich die Potentialität, aus der Alles, die Fülle, möglich wird. Dem Betrachter mit einer präzisen Unschärfe einer leeren Bildmitte zu begegnen, gibt ihm die Möglichkeit, selbst “scharf zu stellen” und somit die Mitte mit sich selbst auszufüllen.
“Irgendwann war die Leere wieder mit der Fülle an Möglichkeiten besetzt”
Seit zehn Jahren beschäftigen Sie sich damit “leere Bilder” zu erschaffen. Wie ist die Entwicklung hin zu Ihren jetzigen Bildern verlaufen?
Begonnen hat meine malerische Entwicklung mit dem Entschluss, mich auf die Farben schwarz, weiss und grau zu beschränken und als Form Punkte zu verwenden. Daraus entstanden flirrende Punktebilder als Urchaos von kleinsten Teilchen. Es entwickelte sich immer mehr Räumlichkeit durch Überlagerungen, bis die Punkte von Horizontalen Streifen überdeckt wurden, welche das Bild immer mehr in ein Oben und Unten teilten. Dieser Raum dazwischen entwickelte sich zunehmend dichter aber auch lichter. Irgendwann war dieser freigeräumte Raum der Potentialität, die Leere, wieder mit der Fülle an Möglichkeiten zu besetzen. Das hieß für mich, nach jahrelanger Zurücknahme und Vermeidung von Gestus wieder alles zuzulassen. Den Mut zur uneingeschränkten Lebendigkeit. Dieser Schritt fiel mir enorm schwer. Einerseits suchte ich so lange nach diesem Moment und dann waren da doch scheinbar unüberwindbare Hindernisse. Nelson Mandela sprach in seiner Antrittsrede: “Jeder Mensch ist dazu bestimmt, zu leuchten! Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind, unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein”. Anfänglich entstanden zögerlich farbige Punkte in der leeren Bildmitte, zunehmend wurde das ganze Bild überlagert bis sie sich verselbständigten und pulsierend verdichteten. Das ist gerade mein aktueller Prozess.
Sie schreiben: “Ich verstehe jedes meiner Bilder als Versuch hin zum “ultimativen Bild””. Könnten Sie erklären was ein ultimatives Bild für Sie ist?
Ich vermute ein Bild hinter allen Bildern, das Ursprung, ursprünglich ist und dem alles, alle Bilder entspringen. Ein Bild, das alle Bilder im Betrachter entstehen lässt. Vielleicht ist ein solches Bild gar nicht malbar, aber es geht um die Annäherung und um den “richtigen” Abstand.
Ihre Bilderserien bestehen oft aus vielen ähnlichen Bildern. Verkaufen Sie Ihre Bilder einzeln, oder nur in bestimmten Anordnungen beziehungsweise Installationen?
Meine Bilder sind Annäherungen an ein Hauptthema. Somit entstehen Variationen, die oft in einer Serie zusammengefasst sind, oder einem Zyklus angehören. Die Wiederholungen verdichten, umkreisen das Thema, bis es sich wandelt. Jedes Bild soll für sich selbst stehen können, aber durch den Dialog mit den anderen Bildern wird das einzelne bereichert . Ich verkaufe sowohl Einzelbilder als auch Serien.
Wo sehen Sie sich und Ihre Kunst in der Zukunft?
In der Malerei macht es mir gerade große Freude, mir nach langer Abstinenz und Askese wieder alles zu erlauben. Da lasse ich mich gerne überraschen, wohin mich dieser Prozess führt.
In den letzten Jahren wurde ich zu einigen Kunst am Bau Projekten eingeladen. Die Herausforderung, mit realen Räumen, Orten und Funktionen umzugehen, ließ meine Kunst noch fiel unmittelbarer Teil des Lebens werden. Da möchte ich zukünftig noch mehr meinen Schwerpunkt, neben der Malerei, hin verlagern.
Mein letztes Raumkunst Projekt für das neue Institutsgebäude der Schule für soziale Berufe in Ravensburg, wird in der nächsten Entree Ausgabe (Architekturmagazin vom Bodensee, erscheint im November 2019) vorgestellt.
Margit Hartnagel lebt und arbeitet in Wangen im Allgäu. Sie wird vertreten durch die Galerie Fenna Wehlau in München.
Diese Bilder haben eine ganz besondere Magie. Bin wirklich begeistert!
Lieber Jürgen, dein Kommentar freut mich sehr! Herzlichen Dank!