Annette Predeek - Die Erde ist bunt
Annette Predeek sammelt Fundstücke aus aller Welt und verarbeitet diese in spannenden Kunstwerken. Im Interview spricht sie über Ihre spontane “Kunst des Kochens” und erzählt warum sich in Ihren Bildern fast überall kleine Stücke von alten Uhren befinden.
In Ihren Kunstwerken arbeiten Sie mit Fundstücken und Materialien aus der ganzen Welt. Laut einem Zeitungsbericht haben sie schon Sand aus 169 Ländern in Ihren Bildern verarbeitet. Wie hat diese Leidenschaft angefangen?
Ich verbrachte als Kind viel Zeit in der Natur. Blätter, Wasser, Steine oder kleine Fundstücke.. waren immer etwas Magisches für mich. Das Meer und der Sand waren auch in den weiteren Jahren mein ständiger Begleiter. In meiner ersten Ausstellung 2003 wählte ich das Thema “Meer und mehr”. Ich fand diese Idee, dort wo der Strand gemalt wäre, echten Sand aus meinem Urlaub auf die frische Farbe zu werfen, sehr spannend. Der Strand hatte somit etwas sehr lebendiges und erinnerte mich an den letzten Urlaub.
Wie wichtig ist das Reisen für Ihre Kunst und ihre Inspiration? Sind Reisen und Fernweh auch Themen Ihrer Bilder?
Ja, das Reisen beinhaltet für mich “in Bewegung sein”, so wie der Rhein, der Fluss an dem ich geboren wurde. Neue Menschen oder Entdeckungen machen, beinhaltet für mich eine abenteuerliche Spannung. In diesen Reisen finde ich immer besondere Materialien wie Steinstaub aus einem altem Parlazzo in Venedig aus dem 13. Jahrhunderte oder Lavasand aus Italien. Ich finde sie, sammel sie ein, und sie inspirieren mich, wenn ich eine weiße Leinwand beginne. Und, ich liebe das Thema “Zeit”. In meinen Bilder finden Sie fast überall kleine Stücke von alten Uhren darin. Die Zeit erscheint mir kostbar, vor allem sie mit wichtigen Menschen, wunderbaren Ländern oder neuen Entdeckungen zu füllen. Ich habe durch Familienrecherche herausgefunden, dass auch meine Großväter sehr gern reisten. Mein Großvater war ein Heimatdichter und kleine Fetzen von seinen Gedichten finden sich ab und an auch in meinen Bildern wieder.
“Die Materialien der Erde sind bunt”
Können Sie einen Unterschied zwischen Sand aus der Karibik und Sand vom Mittelmeer feststellen? Gibt es ein Land mit – aus künstlerischer Sicht – besonders interessanter Erde, bzw. interessantem Sand oder Steinen?
Ich habe ein Bild mit dem Titel “Sand dieser Erde” erarbeitet. Mit Strukturmehl habe ich die Weltkarte aufgespachtelt. Darauf habe ich 69 Sandsorten in das Land “rieseln lassen”, wo es hingehört. Bevor ich Pigmentwasser in weiß darüber gegossen habe, war meine Karte bunt! Es gibt roten, schwarzen, grauen, braunen oder fast weißen Sand. Es sind kleine Partikel Granit, Ziegelstein, Koralle oder Muscheln in den Sandsorten, die diesen Sand einzigartig machen. Das Meer hat alle Materialien des Fundortes zermalmt und Sand daraus gemacht. Selbst innerhalb eines Landes gibt es unterschiedliche Farben, Körnung oder Bei-Materialien. Dies betrifft auch die Erde. Rolandseck ist ein ehemaliger Vulkankrater. Die Erde ist sehr dunkel. In Gran Canaria sind mindestens 5 verschiedene Farben Erde zu sehen, tiefrot, lehmrot, fast schwarz, braun, curry-farben. Ich bin eher zurückhaltend mit Farbe, aber die Materialien der Erde sind “bunt”!
Wohin führte Ihre letzte Reise und was haben Sie mitgenommen?
Meine letzte Reise war eine Reise in verschiedenen Regionen Italiens. Mein Lieblingsort bleibt Venedig und dort schenkte mir ein Handwerker einen alten Ziegelstein eines Palastes, der renoviert wurde. In der Recherche war es ein Haus aus dem 13. Jahrhundert. Rostfundstücke findet man, die sucht man nicht. Ich habe immer ein paar kleine Tütchen dabei und wenn ich etwas finde, packe ich es ein und beschrifte es. Ich war mit meiner Tochter in der Arena di Verona, wo ich ein Stück Stein des alten Gemäuers mitnehmen konnte.
Neben meinen Reisen, kenne ich ein befreundetes Ehepaar, die in der Pension die ganze Welt bereisen. Auch sie hinterlassen mir seit Jahren kleine, beschriftete Tütchen vor meiner Haustüre.
Haben Sie schon eine Idee, wie Sie die Fundstücke in einem Bild verarbeiten?
Nicht immer. Beim Finden und Einsammeln reizt mich in diesem Moment das gefundene Material. Wenn ich mit einem Bild beginne ist oft ein besimmtes Thema oder eine Erinnerung der Anfang. Dann hole ich die “Kiste” mit dem gesammelten Fundstück diesen speziellen Ortes. Ich traf z.b. in Faro bei Ilha Diserta einen alten Fischer, der als Einziger auf der Insel lebt. 3 kleine Fischerhäuschen bilden sein Gesamthaus. Ich verbrachte mit meiner Tochter einen ganzen Tag dort, er kochte für uns und erzählte von seinem Leben. Die kleinen Mitbringsel trug ich nach Hause und in der Erinnerung an diesen außergewöhnlichen Fischer mit seinen 3 Häusern habe ich die Leinwand mit 3 quadratischen Papieren und in Blau strukturiert. Genau dort hinein gehörten die Fundstücke und ergaben für mich einen Sinn und den richtigen Platz.
Die Fundstücke sind bei mir archiviert und warten auf ihre Bestimmung. Wenn ich dann mich in ein Bild vertiefe, verbinde ich die Leidenschaft zu Venedig mit dem alten Gips-Steinstaub oder Ziegelsteinstaub in eine Spachtelmasse. Aber ein Rost-Riegel aus Grado passt dann auch hinein und wenn ich ein Gedichtsstück meines Großvaters einarbeite finde ich plötzlich auch den alten Lederriemen von dem uralten Koffer meines Großvaters spannend. So kommen oft “spontan” Materialien auf ein Bild zusammen, die ich nicht vorher geplant habe sondern eher intuitiv und leidenschaftlich hineingebe. Man kann das mit der Kunst des Kochens vergleichen. Die Zutaten einer tollen Soße sind oft nicht die gleichen aber experimentell leidenschaftlich.
Seit 2014 arbeiten sie auch als Bildhauerin. Wie schwierig war es dieses Handwerk neu zu erlernen und woher kam die Motivation?
Steine waren für mich als Kind schon spannend. Kieselsteine die wie Handschmeichler gesammelt und in der Jackentasche verschwinden, waren immer dabei . Bei einem Malkurs auf dem Wildkogel in Österreich in 2500 meter Höhe habe ich den Steinhauern zugeschaut und habe spontan im selben Jahr einen Kurs gebucht. Meinen ersten Stein zu behauen war anfangs schwierig, weil ich nicht wusste, was ich formen sollte. Der Bildhauer sagte mir, ich solle meinem Gefühl vertrauen und mit Meißel und Hammer wegschlagen, was ich glaube, was weg müsse. Dann begann ein spannender Tag, an dem ich kaum sprach sondern stundenlang diesen Stein abschlug. Mir fiel am Ende des Kurses auf, dass ich meine Bilder strukturiert aufbaue. Bildhauen ist genau das Gegenteil. Hier baue ich das Material eher ab. Aber am Ende verbindet beide das Wasser. Der letzte Feinschliff ist beim Bildhauen unter Wasser und über meine Leinwände fließt Pigmentwasser. Aber mich dem Material Stein so zu nähern und von allen Seiten einen Stein zu bearbeiten war unglaublich spannend.
Am Ende habe ich meinen Steinstaub eingesammelt und dachte….hier schließt sich ein Kreis. Was ich dort abschlage, kann ich aufsammeln und auf einem Bild wieder aufbauen. Da wusste ich, dass das Bildhauen ebenso zu meiner Kunst gehört.
“Das Reisen beinhaltet für mich in Bewegung sein”
Was würden Sie Neulingen in der Bildhauerei für Tipps geben?
Jeder in meinem Kurs hat etwas anderes gemacht. Ich denke, man sollte vor allem seinem Gefühl trauen. Egal was man gerne machen möchte, das sollte man versuchen. Wenn man das Gegenständliche liebt, ist die Arbeit an Struktur, Form und Proportion ebenso wichtig wie bei dem Abstrakten Künstler, der sich auf sein Gefühl oder seine Vorstellung verlässt. Man sollte auch verschiedene Arten von Steinen erproben. Manche sehr harten Steine wie Marmor werden mit anderen Hilfsmitteln abgeschlagen und sehr weiche, fast seifige Steine wie Speckstein bieten einen leichten Einstieg.
Haben Sie schon eine Idee wohin Ihre nächste Reise hin geht?
Ja. Jedes Jahr zu meinem Geburtstag im Januar versuche ich diesen in Venedig zu feiern. Ich brauche keine großen Partys oder Feste sondern liebe die Himmelsfarbe im Januar in Venedig, die Wasserbusse “Vaporettis” und das italienische Essen. Diese uralte Stadt ist in der Zeit stehen geblieben und für mich immer wieder neu zu entdecken. Man findet viele Plätze ohne viele Touristen und kann sich dem Zauber und der Magie dieser Ausnahmestadt voll hingeben…und natürlich habe ich wie immer kleine Tütchen in meiner Handtasche.
Annette Predeek wohnt am Rhein in einem kleinen Ort in der Nähe von Bonn. Ihr Atelier ist in ihrem Haus, weil sie ihre Bilder “betreuen” muss, wenn sie mit Wasser arbeitet und im Trockenprozess in der Nähe bleiben muss.