Björn Bauer - Unsere Welt ist kaputt
Für Björn Bauer ist die Welt kaputt. Das Schaffen von Bildern hilft ihm, trotzdem positiv zu bleiben. Warum er vor allem abstrakte Bilder malt und wie er auch mit dem Computer künstlerisch tätig ist, erzählt er im Interview.
Sie sagen: “Our world is broken and I contend with it by painting”, also frei übersetzt “Unsere Welt ist kaputt und mit dem Malen kämpfe ich dagegen an”. Wieso glauben Sie – schon vor der Coronakrise -, dass die Welt kaputt ist, und inwiefern thematisieren Sie das in Ihrer Kunst?
Bevor ich diese Frage beantworte, sollte ich wahrscheinlich von vornherein sagen, dass ich ein optimistischer Mensch bin. Normalerweise bin ich recht glücklich, und ich beabsichtige nicht irgendwie meine Bilder traurig zu machen. Aber meine Kunstpraxis fungiert definitiv als Ventil für die dunkleren Gefühle, die ich normalerweise vielleicht nicht zum Ausdruck bringe.
Ich glaube dass die Welt kaputt ist, denn selbst wenn sich die Lebensqualität für viele von uns verbessert, hört das Leiden der weniger privilegierten Menschen nie auf. Es ist möglich, unnötiges Leiden zu lösen, aber der Hass, die Gier und die Apathie der Menschheit werden es nicht zulassen. Bis zu einem gewissen Grad wissen wir alle, dass wir in einer Welt leben, die sich in vielerlei Hinsicht verbessert, aber immer noch nicht in der Lage ist, unsere grundlegenden Mängel zu lösen. Wenn wir ehrlich sind, sollten wir die gleichen Fehler in uns selbst sehen können. Jeder von uns muss trotz dieser Realität einen Weg finden, um im Leben voranzukommen, hoffentlich mit der Absicht, die Menschen um uns herum auf irgendeine Weise zu helfen. In den letzten Jahrzehnten haben wir eine Explosion der schieren Menge an Informationen erlebt über alles was um uns herum geschieht, und die meisten Nachrichten sind nicht gut. Unnötig zu sagen, dass die Ereignisse dieses Jahres diese Realität für die meisten von uns noch verstärkt haben. Es erfordert Anstrengung, angesichts all dieser Negativität einen positiven Ausblick aufrechtzuerhalten, und das Schaffen von Bildern hilft mir dabei.
Bei meinem Malprozess muss ich zulassen, dass ein gewisses Maß an Chaos die gemalte Oberfläche beeinflusst. Ich fange jedes Gemälde in eine eher kathartische Art an, was in gewisser Weise mit dem Ansatz des Abstrakten Expressionismus übereinstimmt. Aber dann verbringe ich viel Zeit damit, darüber nachzudenken, wie ich dieses Chaos irgendwie auflösen kann. Es könnte einfach eine Linie oder Form sein oder eine ganze Reihe von aufeinander folgenden Schichten oder Anpassungen. Ich male so lange, bis sich das Chaos in meinem Kopf aufgelöst hat. Das bedeutet nicht, dass die resultierende Arbeit ruhig ist, und ich dränge mich, seltsame Wege zu finden jedes Bild fertigzustellen, aber ein fertiges Bild hat mein eigenes kritisches Auge irgendwie befriedigt. Ich suche nach Lösungen, um Bilder mit starker visueller Spannung zu schaffen. Es ist also natürlich, dass diese Art des Bildermachens den Kampf in meinem eigenen Geist weiterspiegelt.
“Menschen, deren Leiden größer ist, leben mit einem bemerkenswerten Reichtum an Freude und Großzügigkeit”
Sie wurden in Nürnberg geboren, sind als Kind nach Südostasien gezogen, lebten auf den Philippinen, in Kambodscha und Malaysia. Später sind Sie in die USA gezogen und haben in der University at Albany in New York Ihren Master of fine arts abgeschlossen. Sie haben also einiges von der Welt gesehen. Kam die Welt Ihnen überall gleich “kaputt” vor?
Jedes Land, in dem ich gelebt habe, hat seine eigenen Herausforderungen. Aus meiner Sicht scheinen einige Orte definitiv weniger kaputt zu sein als andere, vor allem wenn man sich ansieht, wie Gesellschaften sich um ihre am wenigsten begünstigten Menschen kümmern. Aber selbst dort, wo größerer Wohlstand herrscht, ist es klar, dass größeres Vermögen seine eigenen Herausforderungen mit sich bringt, denn Reichtum löst nicht unsere Probleme. Ich habe gesehen, dass Menschen, deren Leiden in gewisser Weise größer ist, mit einem bemerkenswerten Reichtum an Freude und Großzügigkeit leben. Und ich habe auch Menschen gekannt, die alles haben, was sie sich jemals wünschen könnten, die aber nie zufrieden sind.
Welche Orte haben Sie am meisten inspiriert?
Normalerweise inspirieren Orte meine Kunst nicht direkt, daher ist das schwer zu sagen. Aber wenn wir “Inspiration” als etwas verstehen, dass das Leben bereichert, dann hat mich jeder Ort, an dem ich gelebt habe, auf seine eigene Weise inspiriert. Malaysia ist ein Ort, an den ich immer noch oft denke, wegen seiner schönen Mischung aus verschiedenen asiatischen Kulturen und Küchen. Irgendwie hat Deutschland für mich immer Heimat bedeutet, selbst wenn ich es ein Jahrzehnt lang nicht gesehen hatte, habe ich es immer vermisst. Das Leben an Orten wie dem nördlichen Teil von New York State und jetzt Bayern hat mir geholfen, mich mit der Natur auf eine neue Weise zu verbinden. Die Tropen, so schön sie auch sind, fühlten sich für mich immer ein wenig bedrückend an, so dass diese Verbindung als junger Mensch nicht wirklich stattfand. Die endlosen Wälder und Hügel im Nordosten der Vereinigten Staaten fühlten sich viel einladender an, und natürlich sind die Alpen auch aus der Ferne atemberaubend.
“Aus irgendeinem Grund scheinen abstrakte Bilder einschüchternd zu sein”
Ihre neueren Kunstwerke sind alle abstrakt. Sie sagen, erst wenn ein Kunstwerk Ihre Fantasie anrege, sei es für Sie fertig. Ist es das, was Sie an der abstrakten Kunst begeistert: Der Interpretationsspielraum für den Betrachter?
Das ist sicherlich ein Teil davon. Ich wollte schon immer Leuten die Möglichkeit geben, meine Arbeit für sich selbst zu interpretieren, und abstrakte Bilder geben sie dazu mehr Freiheit. Aber ich glaube, der Hauptgrund, warum ich mich zur Abstraktion hingezogen fühle, ist das Gefühl der Freiheit innerhalb des kreativen Prozesses. Ich kann mich auf den für mich interessantesten Teil des Bildermachens konzentrieren, nämlich die Synthese verschiedener visueller Elemente zu einem befriedigenden Ganzen.
Ärgert es Sie, wenn Ihre Werke “falsch” verstanden werden, oder garnicht?
Nicht so sehr, aber manchmal finde ich das schon etwas komisch, wenn sich die Betrachter sehr darauf konzentrieren, Objekte in meinen abstrakten Bildern zu sehen. Ich kenne viele Leute, die sich nicht sicher sind, wie sie an abstrakte Kunst herangehen sollen. Sie handeln als ob sie versuchen würden Tiere oder Gesichter in einer Wolke zu finden. Und natürlich tauchen manchmal Objekte aus abstrakten Bildern auf, aber in meinem Fall wäre das nicht beabsichtigt. Ich denke über abstrakte Bilder genauso wie über Instrumentalmusik. Es gibt kein objektives Element, um eine konkrete Idee zu beschreiben, also muss man der Musik einfach erlauben, Emotionen und Fantasie zu wecken. Ich glaube, die meisten Menschen verstehen das bei Musik intuitiv, aber aus irgendeinem Grund scheinen abstrakte Bilder einschüchternder zu sein. Ich wäre viel mehr daran interessiert zu hören, wie Menschen eine bizarre oder unbeabsichtigte Interpretation für eines meiner Bilder finden, anstatt zu versuchen, irgendeine Art von zufälliger Erscheinung zu finden. Andererseits schätze ich jeden, der sich die Mühe macht, meine Arbeit überhaupt anzuschauen. Ich bin dankbar, wie auch immer diese Erfahrung für die Betrachter bedeutsam sein mag.
Sie verwenden für Ihre Bilder verschiedene Arten von Farben und Materialien. Meistens Acryl, aber auch Öl, Kohle, Bleistift, Drucke oder Sprühfarbe auf Leinwand, Dibond oder Holzfaserplatten. Auf makersplace.com bieten Sie digital bearbeitete Versionen Ihrer Werke an. Was fasziniert Sie an der künstlerischen Arbeit mit dem Computer im Vergleich zu den “alten”, “analogen” Techniken mit Farbe und Papier?
Das digitale Erstellen von Bildern ist genau wie das Arbeiten mit traditionellen Medien, außer dass lästige Einschränkungen wie die Gesetze der Physik und der Zeit umgangen werden können. Ich begann, viel Zeit mit der digitalen Bearbeitung meiner Arbeit zu verbringen, als ich erst versuchte in Photoshop Farbschichten für Siebdrucke zu erstellen. Als ich mit diesen Mitteln ein gewisses Maß an Komfort erreicht hatte, stellte ich fest, dass es mir wirklich Spaß machte, zwischen der Verwendung traditioneller und digitaler Medien zu wechseln. Das Hin- und Herspringen zwischen diesen beiden Sphären war eine Möglichkeit, meine Kreativität im Fluss zu halten und verschiedene Teile meines Denkens zu beschäftigen. Ich konnte mit der taktilen Erfahrung mit physischen Materialien verbunden bleiben und gleichzeitig innerhalb der unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Manipulation arbeiten. Jetzt, selbst wenn ich auf einer physischen Oberfläche male, hat die Erfahrung, Entwürfe digital zu erstellen, meine kreative Bandbreite erweitert. Ich kann mir viele weitere Möglichkeiten für ein Gemälde vorstellen, weil ich gelernt habe, auch digital zu malen. Der faszinierendste Aspekt dieser verschiedenen Arbeitsweisen ist, wie sie sich gegenseitig verstärken.
Inzwischen sind Sie von New York zurück nach Deutschland gezogen und leben jetzt in München. Ist es hier schwerer oder einfacher als in den USA für einen bildenden Künstler? Inwiefern sehen Sie Unterschiede in den Kunstmärkten?
Das ist etwas, das ich immer noch herausfinde. Ich bin im vergangenen Juli nach Deutschland gezogen, und seitdem habe ich mich hauptsächlich darauf konzentriert, meine Familie unterzubringen. Meine Frau und ich haben drei Kinder, die in Amerika aufgewachsen sind, also war es eine echte Herausforderung, sie an das Schulsystem in Deutschland zu gewöhnen. Dann gab es noch Dinge wie das Bestehen der deutschen Führerscheinprüfung und die offizielle Gründung als selbständiger Künstler. In den letzten Wochen habe ich schließlich wieder angefangen zu malen. Ich finde dass mir hier wesentlich mehr Ressourcen und Vorteile zur Verfügung stehen, aber das alles zu navigieren ist nicht unbedingt einfach. Es ist auch etwas früh, mich zum Kunstmarkt hier zu äußern, und jetzt, wo die Pandemie alles auf den Kopf stellt, wird es für eine Weile sicher nicht normal sein. Aber selbst als ich in den Vereinigten Staaten lebte, hatte ich mehrere Käufer in Europa, die mich mit ihrer kontinuierlichen Unterstützung für meine Kunst wirklich beeindruckt haben.
Wann kann man Ihre Bilder das nächste Mal in Deutschland sehen?
Im Moment konzentriere ich mich darauf, neue Gemälde zu schaffen, aber ich gehe davon aus, dass ich meine Werke im nächsten Jahr wieder ausstellen werde. Ich habe einen E-Mail-Newsletter, den man auf meiner Website abonnieren kann, und natürlich werde ich auch alle kommenden Projekte über soziale Medien ankündigen.
Björn Bauer wurde 1980 in Nürnberg geboren. Im Alter von 8 Jahren zog er mit seiner Familie auf die Philippinen und verbrachte den Rest seiner Kindheit in Südostasien. Im Jahr 2000 zog er nach Oklahoma und schloss sein Studium an der University of Central Oklahoma im Jahr 2005 mit einem Bachelor in Bildender Kunst und Erziehung ab. Im Jahr 2006 hatte er seine erste Einzelausstellung in der IAO-Galerie in Oklahoma City, wo er weiterhin regelmäßig seine Werke ausstellte und zwölf Jahre lang Kunst an Gymnasien unterrichtete. Im Jahr 2019 erwarb er seinen MFA in Malerei an der University at Albany in New York und lebt heute in München.
Super schöne Bilder, bei denen man viel entdecken kann. Das Interview hat mir auch sehr gut gefallen!
Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen